Auf vier Bereiche ist das Herner Familienunternehmen „Reifen Stiebling“ besonders stolz: Auf die ca. 200 Mitarbeitenden, allesamt „Menschen mit Profil“, auf „unsere absolute Unabhängigkeit“, auf das „Zentralkonzept Mobilservice“ und auf die Runderneuerung“. Letzterer sei sogar das „Herzstück unseres Unternehmens“, wie es jetzt die Geschäftsführer Christian und Alexander Stiebling formulierten. Adressat dieser Botschaft war Jochen Ott, Vorsitzender der SPD-Fraktion im NRW-Landtag in Düsseldorf, der gemeinsam mit seinem Vize Alexander Vogt den Herner Reifenfachhändler besuchte. Anlass waren die „großen Sorgen, die wir uns um die Runderneuerung machen“, so Seniorchef Christian Stiebling. Die erste Konsequenz dieser Sorgenfalten: Das Unternehmen kippte sein Vorhaben, fünf Millionen Euro in den Umzug vom Stammsitz auf eine freie Fläche im Herner Stadtteil Horsthausen inklusive Modernisierung und Vergrößerung der Runderneuerung zu investieren. „Wir sind vom Kauf des Geländes zurückgetreten“, so Seniorchef Christian Stiebling, der damit eine über zweijährige Planungszeit ad acta legte. Investieren will das Unternehmen daher jetzt in die Runderneuerung am „alten“ Standort am Stammsitz an der Jean-Vogel-Straße sowie in die Vergrößerung und Modernisierung ihres Filialnetzes.

„Gestiegene Maut lässt Spediteure beim Reifenkauf sparen“
Die Gründe für den Rückzug zeigten die beiden Stiebling-Chefs mit Unterstützung durch Michael Schwämmlein, Geschäftsführer Technik im Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e. V. (BRV), den beiden Politikern eindringlich auf: „Zum einen wird die Runderneuerung in Deutschland durch Billigimporte aus Asien nicht nur gerupft, sondern platt gemacht. Zum anderen steigen bei unseren Kunden im Lkw-Segment, also in der Mehrzahl bei Spediteuren, durch die zum 1. Dezember drastisch erhöhte Maut die Kosten. Und wie wird diese Erhöhung kompensiert? Beim Reifenkauf, da die billig produzierte Importware aus Fernost, die nicht runderneuerbar ist, auf Grund niedrigerer Energiekosten und fehlender Zölle deutlich günstiger angeboten werden kann als Reifen aus Herne“, so Juniorchef Alexander Stiebling. Um zum Thema Preis noch nachzuschieben: „Runderneuerte Reifen aus einer Produktion wie bei uns sind einem Neureifen ebenbürtig und einem billig produzierten Reifen nicht selten in allen relevanten Belangen überlegen – vor allem unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.“

Der Preis sei die eine Seite – Nachhaltigkeit die andere. Vor allem hier stieß Stiebling beim Oppositionsführer Jochen Ott auf offene Ohren. Er sagte: „Es ist doch eindeutig belegt, das runderneuerte Reifen nachhaltig Ressourcen einsparen und CO2-Emmissionen verringern. Wir müssen jetzt Anreize schaffen, dass diese Nachhaltigkeit dem Unternehmen, hier also dem Spediteur, wichtiger wird.“

Eine noch konkretere Hilfe forderte Christian Stiebling vom Gesetzgeber bei öffentlichen Ausschreibungen ein. „Warum kann nicht im ÖPNV, bei der Polizei, bei städtischen Entsorgungsbetrieben, um nur drei Beispiele zu nennen, zwingend vorgeschrieben werden, dass ein gewisser Mindestsatz der Reifen aus der Runderneuerung kommt, da sie nachhaltiger sind?“ Ein Ansatz, der bei den SPD-Landespolitikern auf fruchtbaren Boden fiel: „Das ist ja die öffentliche Hand. Und diese muss beim Thema Nachhaltigkeit glaubwürdig sein. Alle, ob Kommunen, Land oder Bund, sind auf dem Weg zur Klimaneutralität. Daher müssen diese Produkte unterstützt werden“, so Ott.

Landespolitiker nehmen Handlungsvorschläge mit nach Düsseldorf
Die Berücksichtigung runderneuter Reifen bei öffentlichen Ausschreibungen und eventuelle Einführzölle für „Einmal“- bzw. Low-Budget-Reifen aus Fernost waren zwei konkrete Handlungsvorschläge, die „Reifen Stiebling“ und der BRV den SPD-Größen mit an die Hand gaben. Zwei weitere: Die Berücksichtigung der Runderneuerung bei gesetzlichen Regelungen oder Vorgaben, zum Beispiel bei der Maut oder der DeMinimis-Förderung, sowie ein „für uns als Mittelständler umsetzbares Reifenlabel, das den Nachhaltigkeitsaspekt fair berücksichtigt“, so Christian Stiebling. Denn: Runderneuerte Lkw-Reifen passen zurzeit nicht in das Schema der Qualitätssiegel. Bei der Importware sei das anders, da sich die Hersteller von Neureifen selbst ein Siegel vergeben dürfen. „Und dass sie sich dann das beste Siegel verleihen, liegt doch auf der Hand.“

Und noch eine Idee nahm der SPD-Fraktionschef mit auf den Weg in den Landtag. „Warum soll ein Unternehmen, das auf Runderneuerte setzt, nicht ein CO2-Kredit gutgeschrieben werden, der den ökologischen Fußabdruck verringert?“, fragte er in die Expertenrunde – und erntete pure Zustimmung.